Dienstag, 03 Februar 2015 19:00

LG Hamburg: Google ist doch für Snippets verantwortlich (5/02/2015)

geschrieben von  Kanzlei
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Snippets sind kurze Auszüge aus einer Webseite, die Suchmaschinen in ihren Trefferlisten anzeigen. Nach der bisherigen Rechtsprechung der Instanzgerichte haften die Suchmaschinenbetreiber nicht, wenn solche in der Trefferliste angezeigten Snippets rechtsverletzenden Inhalt haben. Nun hat das Landgericht Hamburg eine Ausnahme hiervon gemacht.

LG Hamburg: Urteil vom 07.11.2014, Az.: 324 O 660/12

 

Worum ging es?

Der Kläger ist Unternehmer. Über ihn wurde u.a. in einem Blog berichtet, wo er mit einem Bordell und verschiedenen Straftaten in Verbindung gebracht wurde. Gibt man seinen Namen bei Google ein, so zeigte die Trefferliste einen Link zu diesem Beitrag. Ferner zeigte die Trefferliste einen Snippet des verlinkten Textes an, in dem jedenfalls die Beteiligung an einem Bordell geäußert wird. Der Kläger behauptete u.a. diese Äußerung sei falsch; zu keinem Zeitpunkt konnte ihm eine solche Beteiligung nachgewiesen werden. Der Kläger forderte den Suchmaschinenbetreiber zunächst außergerichtlich auf, es zu unterlassen dieses Suchergebnis – also sowohl das Snippet als auch die Verlinkung – anzuzeigen. Als dieser dem nicht nachkam, reichte er Klage auf Unterlassung gegen den Suchmaschinenbetreiber ein.

Was hat das Gericht entschieden?

Das Gericht entschied, dass der Suchmaschinenbetreiber auf Unterlassung sowohl für die Verbreitung der Snippets als auch für die Verlinkung hafte. Der Betreiber hafte als Störer, nachdem er auch nach Kenntnis nichts unternommen hat, um die Anzeige der rechtsverletzenden Äußerungen zu unterbinden. Das Landgericht stellt sich damit – unter Berufung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes – gegen die Rechtsauffassung des hanseatischen Oberlandesgerichts und des OLG München, welche zuvor eine eigene Verantwortung für Snippets abgelehnt hatten. Im Urteil des Landgerichts heißt es dazu: „Die Beklagte gibt im Rahmen der Suchergebnisse auf eine Anfrage Inhalte wieder, die Dritte eingestellt haben, dies gilt auch für das hier streitgegenständliche Snippet. Es handelt sich hierbei nicht um die Verbreitung von Inhalten, die die Beklagte selbst generiert hat, wie beispielsweise im Rahmen der Autocompletefunktion. Jedoch wird die Einordnung der Suchmaschine als bloße Nachweisfunktion, der kein adäquat-kausaler Beitrag beizumessen sei, die das Hanseatische Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 26.05.2011 (Az:3 U 67/11 – Juris Abs. 104 ff) vertritt, der Bedeutung und dem Einfluss von Internetsuchmaschinen nicht gerecht.“ Hiernach müsse der Suchmaschinenbetreiber grundsätzlich auch für Snippets haften. Eine Ausnahme hievon wiederum müsse wohl gelten, wenn das streitgegenständliche Snippet keinen eigenen Aussagegehalt habe. Da der Suchmaschinenbetreiber kein Täter, sondern Störer sei, ist er erst mit Kenntniserlangung zum Handeln verpflichtet. Das bedeutet, dass die Beklagte nicht jeden Inhalt ihrer Suchergebnisse kontrollieren, bzw. filtern muss, sondern erst tätig werden muss, wenn sie auf bestimmte Inhalte hingewiesen wird. Kenntnis habe die Beklagte hier aber spätestens mit Klageerhebung gehabt.

Folgen für die Praxis

Diese Entscheidung nimmt die Suchmaschinenbetreiber in die Pflicht und hebt deren Bedeutung in der heutigen Internetnutzung hervor. Zu begrüßen ist der Versuch, die Bedeutung von Suchmaschinen als Anlass zu nehmen, sie als Störer zu qualifizieren und damit in die Verantwortung zu nehmen. Ob diese Entscheidung Bestand hat oder von den Instanzgerichten aufgehoben wird, wird sich zeigen müssen. Mit der andauernden Auffindbarkeit von alten und veralteten Meldungen im Internet und der Bedeutung, die dabei den Suchmaschinen zukommt, hat sich Rechtsanwalt Schulz bereits in zwei Aufsätzen befasst („Die Rechtsprechung zu den „Onlinearchiven““, AfP 2008, S. 133 und „Update: Die neue Rechtsprechung zu den Onlinearchiven“ AfP 2012, S. 442). Dort hob er bereits die immense Gefährdung von Persönlichkeitsrechten hervor, die sich durch die dauernde Auffindbarkeit mittels Suchmaschinen ergibt und damit eine eigene Gefährdung schafft.

Gelesen 5224 mal Letzte Änderung am Dienstag, 17 Februar 2015 15:16